Jugendfußball ist komplex

Man mag meinen, dass es im Kinder-und Jugendfußball nur um junge Spieler gehen sollte, die in der Freizeit mit Spaß ihren Lieblingssport ausüben. Doch die Realität ist meistens anders. Oft verfolgen Erwachsene im Umfeld der Kinder und Jugendlichen vielschichtigere Ziele. Eine einheitliche Sichtweise kann nur erlangt werden, wenn sich die Verantwortlichen eines Vereines über die Ziele im Klaren sind und gemeinsam mit den Trainern ein Konzept entwickeln, das alle unterschiedlichen Interessen so gut als möglich berücksichtigt. Wesentlich ist, jedes Mitglied von Beginn an davon zu überzeugen, dass alle Mannschaften und in weiterer Konsequenz jeder Spieler Teil einer Gemeinschaft ist, die nur durch das Zusammenwirken aller Beteiligten funktionieren kann.

Probleme gemeinsam anpacken

Eine jüngst veröffentliche Studie zeigt, dass die Hälfte aller Kinder, die mit dem Fußballsport begonnen haben, bereits bis zum Alter von 12 Jahren wieder aufhören. Aufgabe muss es daher sein, diesem “Drop-out” konzeptionell und zielorientiert entgegenzuwirken.
Die Fußball-Matura zu erwerben, sprich eine Ausbildung ab ca. sechs Jahren bis zur Eingliederung in eine Kampfmannschaft zu erhalten, ist eine ambitionierte Aufgabe, die viel Geduld erfordert. Hierbei ist großes Engagment und eine strikte Abkehr vom rein ergebnisorientierten Denken im Nachwuchsfußball erforderlich. Die einzigen Ziele im Trainings- und Spielbetrieb müssen die fußballerische Entwicklung und die Persönlichkeitsbildung sein. Die nachhaltige und intensive Begleitung der Fußballer über ihre gesamte Laufbahn soll im Mittelpunkt stehen.Die Umsetzung der Konzepte hängt natürlich auch stark von der Qualität und der aktiven Mitarbeit der Trainer ab. Die Implementierung kann nur gelingen, wenn alle Ausbildner hinter dem Konzept stehen und es im Training konkret umsetzen. Selbstverständlich steht die Ausbildung der Kinder und Jugendlichen im Vordergrund, jedoch ist durch eine konsequente konzepttreue Arbeit davon auszugehen, dass die heutigen Fußballer später als Nachwuchstrainer zur Verfügung stehen werden.

Vorüberlegungen

Übergeordnetes Ziel:

  • Junge Menschen sind in ihrer persönlichen und sozialen Entwicklung gefördert. Sie (er)leben die Freude an der Ausübung des Fußballsports. Die Begabungen werden erkannt und gefördert. Der Ausbildungsstand und das Können der Spieler bestimmen unser Handeln.
  • Die Ausbildung und die persönliche Entwicklung der Spieler sind zentral, nicht die Ergebnisse und Tabellen!
    Zielgruppen:
    - Alle Spieler des Vereins
    - Folgende Personengruppen zeichnen für die Zielerreichung verantwortlich:
  • Spielereltern
  • Trainer und Betreuer
  • Vereins- bzw. Nachwuchsleiter

Leitsatz:
„Wir sind (d)ein Team !“ (Dieser Slogan soll das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken)

UMSETZUNG

  • Erstellung der Leitgedanken und Verhaltensregeln anhand der formulierten Ziele und Leitsätze sowie unter Berücksichtigung aller beteiligten Zielgruppen.
  • Vorstellung des Konzeptes.

1 Soziales Konzept: Alle Mitglieder sollen sich im Verein wohl fühlen und eine emotionale Bindung zum Verein haben. Es müssen hierzu zielführende Rahmenbedingungen geschaffen werden.
2 Sportliches Konzept: Das sportliche Konzept berücksichtigt in gleichen Maßen die Interessen des Vereins und der Nachwuchsspieler.
2.1 Trainings- und Spielbetrieb: Die Einteilung der Mannschaften ist so gestaltet, dass die Spieler in „ihrem Team“ spielen können.
2.2 Anforderungen Nachwuchstrainer: Das Know-how der Nachwuchstrainer ist essentiell. Sowohl pädagogische, als auch fachlich-fußballerische Kompetenzen sind notwendig. Eine Bereitschaft zur regelmäßigen Fortbildung ist unabdingbar.
2.3 Einheitliche Spielauffassung: Eine einheitliche Spielphilosophie (z.B.: Viererkette, Angriffsfußball, …) wird von allen Beteiligten verfolgt und im Training (sobald man im Großfeld spielt) umgesetzt.
2.4 Patenschaft: Jede Mannschaft hat einen Paten bzw. einen Buddy aus der Kampfmannschaft.
3 Finanzierungskonzept: Qualifizierte und engagierte Nachwuchstrainer müssen angemessen finanziell entschädigt werden. Ein transparentes und adäquates Entlohnungssystem garantiert eine qualitativ hochwertige Arbeit.
4 Zeitplan/Umsetzung: Die Umsetzung von neuen Konzepten erfordert Geduld, eine zieldienliche und positive Herangehensweise ist von allen Beteiligten unbedingte Voraussetzung. Die Ausbildung der Nachwuchsspieler muss in einem langfristigen Kontext gesehen werden. Meilensteine und Ziele werden festgelegt, evaluiert und bei Bedarf adaptiert.

1. Soziales Konzept

Vereine sind Teil der Gesellschaft und unterliegen grundsätzlich denselben Gesetzmäßigkeiten, Regeln und Normen, wie man sie in der Familie, in der Schule und im Berufsleben vorfindet.
Das Fußballspiel und dessen Umfeld bieten viele Möglichkeiten um persönlich zu reifen und soziale Kompetenzen zu trainieren. Attribute wie Rücksichtnahme, Lern und Hilfsbereitschaft, Fairness und Respekt, Durchsetzungsvermögen, Selbstvertrauen, Gewinnen und Verlieren sind u.a. wesentliche Lernfelder für junge Menschen. Dementsprechend muss sich der Verein seiner „Doppelaufgabe“ bewusst sein und Werte und Zielsetzungen formulieren, die über das Fußballtraining hinausgehen. Der Nachwuchsspieler lernt soziale Verhaltensweisen realitätsnah im Teamkontext. Dem Trainer kommt hierbei eine besondere Rolle zu. Er soll die Leitgedanken und Verhaltensregeln an die Spieler weitergeben und bei allen Beteiligten ein „Wir“-Gefühl“ wecken und fördern.

Leitgedanken und Verhaltensregeln:

1. Wir schaffen ein Umfeld, in dem sich jeder wohlfühlt.
2. Gegenseitiger Respekt und Akzeptanz auf Augenhöhe (Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Spieler, Mitarbeiter, …)
3. Wir pflegen einen offenen, ehrlichen Umgang und sind verlässlich und hilfsbereit
4. Wir sind ein Team, gewinnen und verlieren gemeinsam.
5. Wir verhalten uns fair gegenüber Mitspielern, Gegenspielern und Schiedsrichtern.
6. Alle Konflikte werden gewaltfrei gelöst.
7. Wir halten uns an die Fußballregeln.
8. Wir benutzen keine Schimpfwörter.
9. Wir sprechen deutsch bzw. bemühen uns im Trainings- und Spielbetrieb deutsch zu sprechen.
10. Insbesondere im Kinderfußball gilt: Erlebnis kommt vor Ergebnis.
11. Wir sind umweltbewusst und entsorgen unseren Müll.
12. Wir gehen mit Eigentum des Vereines um, wie mit unserem eigenen.
13. Wir halten uns an die Vereinsregeln.
14. Wir akzeptieren bei Regelüberschreitungen die Strafen..
15. Kein Alkohol und keine Zigaretten vor, während oder nach dem Trainings- bzw. Spielbetrieb.
16. Wir wollen gewinnen, jedoch stehen die Freude am Spiel und die Ausbildung jedes Einzelnen im Vordergrund.
17. N.N.
18. N.N.

2. Sportliches Konzept

2.1: Trainings- und Spielbetrieb
Die Ausbildung steht im Mittelpunkt. Das Kind ist Mitglied des Vereins, weil es spielen möchte. Diese Realität muss Grundlage für alle weiteren Überlegungen sein. Deshalb sollten für alle Altersklassen Mannschaften gemeldet sein. Die Konsequenz ist, dass der Verein viele Mitglieder und Spieler bzw. Mannschaften hat. Die Spieler wiederum werden kontinuierlich und optimal ausgebildet, haben viel Spielzeit und werden somit bestmöglich auf die Aufgaben in einer Kampfmannschaft vorbereitet.

2.2: Anforderung Nachwuchstrainer
Nachwuchstrainer sollten eine hohe soziale, pädagogische und sportliche Kompetenz haben. Wenige Trainer mit einer Lizenz streben allerdings die Arbeit im Nachwuchsbereich an. Entsprechend muss der Verein nach anderen Wegen suchen, um Trainer zu finden und zu begeistern. Ob Eltern oder ältere Nachwuchsspieler – Trainertalente gibt es überall. Die Bereitschaft zur Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen muss vorhanden sein. Diese werden regelmäßig angeboten und wahrgenommen.

Der Trainer
- identifiziert sich mit den Zielen des Vereins und repräsentiert ihn vorbildlich.
- achtet das Fair-Play, vor allem gegenüber den Schiedsrichtern
- ist teamfähig, kooperativ und fördert den Teamgeist
- tauscht sich mit anderen Teams im Verein regelmäßig über mögliche Spielerwechsel aus
- ist Vorbild und hat ein offenes Verhältnis zu allen Spielern im Verein
- versucht alle Spieler im Verein zu integrieren, wenn nötig mit zusätzlichen Trainingseinheiten oder Freundschaftsspielen
- ist offen und lernbereit und nimmt an Fortbildungsmaßnahmen sowie Trainersitzungen teil
- organisiert, wenn er verhindert ist, rechtzeitig eine Vertretung Kein Spiel, kein Training fällt aus!
- führt zusammen mit seinen Betreuern und Trainerkollegen Elternabende durch. Er ist Ansprechpartner für die Eltern
- bietet ein abwechslungsreiches, alters- und kindgemäßes Training an
- stellt die Freude am Fußballspielen und die Ausbildung eines jeden Spielers in den Vordergrund seines Denkens und Handelns
- führt eine Trainings- und Spielliste
- behandelt alle Spieler gleich, unabhängig ihrer fußballerischen Qualitäten und verfolgt konsequent die Einhaltung der Vereinsrichtlinien
- achtet darauf, dass die Kabinen – auch bei einem Auswärtsspiel – ordentlich verlassen werden
- leitet seine Spieler an, sorgsam mit Vereinseigentum umzugehen.

2.3: Einheitliche Spielauffassung
Kinder wollen angreifen und Tore schießen. Der Verein muss die Trainer bei einer offensiven Angriffsspielweise unterstützen. Die einheitliche Spielauffassung muss sich wie ein roter Faden durch den ganzen Nachwuchs ziehen. Das Ergebnis spielt, vor allem im Kinderfußball, eine untergeordnete Rolle. Ein Sieg darf nicht auf Kosten der Spielfreude, des Spaßes, des Fairplay oder der Ausbildung der Spieler gehen. Spielfreude erfordert Erfolgserlebnisse und diese sind im Fußball eng mit dem Tore schießen verbunden. Dabei gilt im Training wie im Spiel - „Gleiches Recht für Alle“. Das heißt, dass alle Kinder alle Positionen spielen sollen und müssen. Im Jugendfußball (ab U-14) sollte eine ähnliche Spielanlage und Philosophie herrschen, wie in den Kampfmannschaften.

2.4: Patenschaft
Jede Nachwuchsmannschaft sollte einen Paten bzw. einen Buddy aus der Kampfmannschaft haben. Es geht nicht darum, dass der Spieler die Agenden des Trainers übernimmt, er soll ich jedoch systematisch über die Entwicklung der Mannschaft informieren und im Bedarfsfall auch einmal ein Training leiten.

3. Finanzierungskonzept

Zum Training zu kommen, einen Ball hinzuwerfen und die Kinder spielen zu lassen – damit ist es nicht getan. Für eine qualifizierte Ausbildung und Betreuung ist ein hoher Zeitaufwand notwendig. Jede Trainingseinheit muss sorgfältig geplant sein. Die Fort- und Weiterbildung der Trainer ist unentbehrlich. Hierfür müssen die Trainer entsprechend entschädigt werden. Was bei anderen Sportvereinen ganz normal ist, muss auch für den Fußball gelten.
Natürlich ist die Leistbarkeit für alle oberste Prämisse. Es wird jedoch notwendig sein, einen Beitrag von den Eltern einzuheben.

4. Zeitplan/Umsetzung

Welche Ziele setzt man sich in welchem Zeitraum? Wann will man welche Schritte verwirklichen? Welche Ziele sind in welchem Zeitraum realistisch?

Kurzfristige Ziele können immer neu definiert werden. Die Trainer sollen ihren Spielern die Freude am Fußball vorleben und dabei eine positive Atmosphäre schaffen. Mehr Lob, weniger Kritik als Credo. Kinder imitieren gerne die Stars in der Champions League oder in den Nationalmannschaften. Gemeinsames Einlaufen, Abklatschen nach dem Spiel, die La-Ola Welle nach Spielschluss, Verabschieden von der gegnerischen Mannschaft und dem Schiedsrichter, … Das alles sind Rituale, die zum Fußball gehören. Es gilt: Jedes Kind ist Sieger! Dieser Grundsatz hat zumindest im Kinderfußball Gültigkeit, unabhängig vom Ergebnis.
Diese Herangehensweise ermöglicht und motiviert zu einer langfristigen und nachhaltigen sportlichen Betätigung der Spieler.